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Rohingya Babys, die es offiziell nicht gibt

In Myanmar gezeugt, in Bangladesch geboren: Rohingya-Kinder sind staatenlos

von Eva Stroppel

Anwar Sadiq ist vor ein paar Tagen zur Welt gekommen, in einem Flüchtlingslager in Bangladesch. Seine Mutter (15) ist schwanger aus Myanmar geflüchtet, in der Hoffnung, ihrem Sohn eine bessere Zukunft geben zu können. Stattdessen sind sie jetzt beide staaten- und mittellos. „Sie haben mich direkt nach der Geburt wieder zurück ins Lager geschickt, mit nur zwei Hygienebinden, um meine Blutungen für die nächsten Wochen zu stillen. Eine benutze ich jetzt als Kopfkissen für meinen Sohn, wir haben sonst nichts.“

Anwar ist kein Einzelfall. Die UNICEF schätzt, dass es inzwischen mehr als 200’000 Flüchtlingsbabys gibt, die nirgendwo registriert sind.

HINTERGRÜNDE

Krieg im buddhistischen Myanmar. Warum über 400’000 Rohingyas in nur wenigen Monaten nach Bangladesch geflohen sind.

Historisch gesehen, sind die Rohingyas aus Bengalen über die Grenze gekommen und haben sich in Myanmar angesiedelt. Staatliche Stellen in Myanmar lehnen die Bezeichnung Rohingya bis heute ab und sprechen stattdessen von Bengalis, um ihre Position zu verdeutlichen, dass es sich um (illegale) Einwanderer handle.

Die Rohingya werden in Myanmar nicht als eigenständige Bevölkerungsgruppe anerkannt. Demzufolge haben in den 1990er-Jahren einige Aufständische versucht, einen unabhängigen muslimischen Staat zu gründen. Als Staatenlose verfügen sie über keinerlei Rechte. Sie dürfen nicht wählen, haben keinen Zugang zu höherer Bildung und eine offizielle Ausreise wird ihnen nicht gestattet.

Von den Vereinten Nationen werden sie als die „am stärksten verfolgte Minderheit der Welt“ eingestuft.

Myanmar stand bis 2011 unter einer Militärherrschaft. Seither ist die De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi an der Macht. Allerdings in Kooperation mit dem Militär, das sie ihrerseits 15 Jahre lang unter Hausarrest gestellt hat, um ihre Demokratisierungspläne für Myanmar zu unterdrücken. Aung San Suu Kyi setzt sich seit den 1980er-Jahren für eine gewaltlose Demokratisierung ihres Heimatlandes ein. 1991 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Umso erstaunlicher ist es, dass sich nun solche Szenen der Völkervertreibung in ihrem Land abspielen.

Die meisten Rohingyas leben im Gebiet des Rakhaing-Staates (ehemals Arakan). Die jahrzehntelange Unterdrückung und Benachteiligung des Militärs rsp. der Regierung gegenüber den Rohingyas hat den Konflikt quasi selbst herangezüchtet. Über die letzten Monate hat sich in Rakhine eine Gruppe formiert, die nicht im Affekt, sondern gezielt burmesische Sicherheitskräfte und Soldaten angreift, die Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa). Dies spielt der Armee wiederum in die Hände, um nun ihrerseits die Verfolgung erneut zu verschärfen.

Aung San Suu Kyi wird international kritisiert, da sie lange geschwiegen hat. Erst am Dienstag dieser Woche (19.9.2017) hat sie sich öffentlich geäussert:
„…Wir fürchten keine internationale Untersuchung (…) Über 50% der Dörfer in der Region von Rakhaing sind intakt. Die Mehrheit der Rohingyas ist nicht geflohen (…) Ich kann verstehen, dass die Öffentlichkeit besorgt ist und verstehen will, warum es zu diesem Exodus kam. Auch wir möchten das gerne verstehen und gehen dieser Frage mit internationaler Unterstützung nach (…). Unabhängig von Religion, Herkunft oder sozialer Stellung werden wir sämtliche fehlbaren Unruhestifter verurteilen, die gegen die Gesetze unseres Landes verstossen.

Diese Rede wird von internationalen Experten kritisiert, Aung San Suu Kyi stecke den Kopf in den Sand und habe eine grosse Chance verpasst, sich endlich gegen die Armeegewalt abzuheben und die Demokratie im eigentlichen Sinne voranzutreiben.

Quellen: tagesschau.de / deutsch.rt.com / nzz.com / wikipedia / youtube / euronews.de / welt.de / theguardian.com / bbc.com / timesofindia.indiatimes.com

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